GST 2.0: Wie Indiens kühne Reform ungarischen Unternehmen die Türen öffnet

geschrieben von Anshuman Gaur, Botschafter von Indien in Ungarn
Ungarn kennt die Macht der Steuerreform. Im Jahr 1988 führte das Land eine landesweite Mehrwertsteuer (VAT) ein, ein Schritt, der die Geschäftstätigkeit vereinfachte und den Weg für eine engere Integration mit den europäischen Märkten ebnete.
Indien erlebt jetzt einen ähnlichen Moment. Unter der Führung von Premierminister Narendra Modi führte es 2017 die Waren- und Dienstleistungssteuer (GST) ein, die ein Gewirr von Steuern auf Ebene der Bundesstaaten durch ein einheitliches System für 29 Bundesstaaten ersetzte. Für eine Nation mit 1,4 Milliarden Menschen war das revolutionär. Jetzt hat Indien die GST 2.0 auf den Weg gebracht – eine neue Generation von Reformen, die das Steuersystem einfacher, transparenter und vollständig digital machen sollen. Dies ist mehr als nur eine indische Reform. Es ist eine Chance für Europa und insbesondere für Ungarn, die Handelsbeziehungen mit einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt zu vertiefen.
Was ist neu an der GST 2.0?
Die Reformen sind dreiteilig und umfassen strukturelle Änderungen, eine Rationalisierung der Steuersätze und eine Erleichterung der Lebens- und Geschäftstätigkeiten. Zu den strukturellen Änderungen gehören die Lösung langjähriger Probleme wie die umgekehrte Zollstruktur und die Beilegung von Klassifizierungsstreitigkeiten. Die Rationalisierung der Steuersätze beinhaltet den Übergang von einem komplizierten System mit mehreren Steuersätzen zu einer vereinfachten Struktur mit zwei Steuersätzen für die überwiegende Mehrheit der Waren und Dienstleistungen. Die Erleichterung der Lebens- und Geschäftstätigkeit beinhaltet die Umsetzung von Prozessreformen, um die Einhaltung der Vorschriften einfacher, schneller und berechenbarer für Unternehmen zu machen, insbesondere für mittlere, kleine und kleinste Unternehmen (KKMU) und Exporteure.
Eine breite Palette von Artikeln des täglichen Bedarfs ist billiger geworden, so dass die Verbraucher mehr Geld in der Hand haben. Dazu gehören Lebensmittel, Körperpflegeprodukte, Haushaltswaren, landwirtschaftliche Betriebsmittel, Gesundheitsprodukte und Geräte für erneuerbare Energien. Die Umstellung auf ein System mit zwei Steuersätzen von 5 % und 18 %, das die früheren Sätze von 12 % und 28 % ablöst, wird die Besteuerung transparenter und leichter nachvollziehbar machen. Gleichzeitig sorgt ein Steuersatz von 40 % für Luxusgüter wie Tabak, kohlensäurehaltige Getränke, Luxusautos, Yachten und Privatflugzeuge für Fairness und ausgeglichene Einnahmen. Gleichzeitig wurden die Registrierung und die Einreichung von Steuererklärungen vereinfacht, die Erstattungen beschleunigt und die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften gesenkt, was die Belastung der Unternehmen, insbesondere der mittleren, kleinen und kleinsten Unternehmen (KKMU) und der Start-ups, verringert. Die Unterstützung für kleine Unternehmen hilft ihnen, sich in globale Wertschöpfungsketten einzugliedern, während die niedrigeren Steuern auf grüne Energie mit den europäischen Prioritäten der Nachhaltigkeit übereinstimmen. Kurz gesagt, die GST 2.0 macht Indien zu einem berechenbareren und geschäftsfreundlicheren Partner.
Warum sollte sich Europa dafür interessieren?
Die Europäische Union ist der zweitgrößte Handelspartner Indiens und wird 2024 Waren im Wert von 120 Milliarden Euro oder 11,5 % des gesamten indischen Handelsvolumens abwickeln. Indien ist der 9. größte Handelspartner der EU und wird im Jahr 2024 2,4 % des gesamten Warenhandels der EU ausmachen. Der Handel mit Dienstleistungen zwischen Indien und der EU belief sich im Jahr 2023 auf 59,7 Milliarden Euro. Indien und die EU arbeiten mit Aufrichtigkeit und Engagement daran, frühzeitig ein umfassendes und ausgewogenes Freihandelsabkommen abzuschließen, von dem Unternehmen und Verbraucher auf beiden Seiten profitieren werden. Dennoch haben viele europäische Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere – die indischen Steuervorschriften als Herausforderung empfunden.
Die GST 2.0 spricht diese Bedenken direkt an. Ein ungarischer Biotech-Innovator in Debrecen oder ein
Automobilzulieferer in Győr kann jetzt mit indischen Partnern zusammenarbeiten, weil er weiß, dass die Steuervorschriften einheitlich sind und die Prozesse schneller ablaufen. Diese entscheidenden Reformen senken die Kosten und beseitigen die Unsicherheit – zwei Dinge, die für Unternehmen sehr wichtig sind.
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Chancen für Ungarn
Indien und Ungarn unterhalten bereits starke wirtschaftliche Beziehungen, mit einem bilateralen Handelsvolumen von fast 1,20 Milliarden Euro im Jahr 2024. Die GST 2.0 schafft neue Wachstumsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen, einschließlich der drei folgenden Bereiche:
- Pharma und Biowissenschaften – Ungarische Forschungsunternehmen können unter den vereinfachten GST-Regeln Partnerschaften mit indischen Herstellern eingehen und so Innovationen und Exporte beschleunigen.
- Maschinenbau und Automobilbau – Ungarns Stärken bei Komponenten und umweltfreundlicher Mobilität ergänzen Indiens Elektrofahrzeug-Revolution, unterstützt durch niedrigere GST-Sätze auf saubere Technologien und Automobile.
- Digitale Innovation – Budapests Start-ups in den Bereichen künstliche Intelligenz und Finanztechnologie passen natürlich zu Indiens digitaler Transformation, die durch die GST 2.0 ausdrücklich unterstützt wird.
Nehmen Sie das Beispiel von Richter Gedeon, einem der führenden Pharmaunternehmen Ungarns. Das Unternehmen arbeitet seit langem mit indischen Partnern zusammen, um weltweit erschwingliche Medikamente zu liefern. Unter dem alten System erschwerten unterschiedliche staatliche Steuern den Vertrieb. Mit der GST – und jetzt der GST 2.0 – verschwinden diese Hindernisse. Einheitliche Regeln und eine vereinfachte Einhaltung der Vorschriften ermöglichen es den ungarischen und indischen Partnern, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Forschung, Produktion und schnellere und erschwinglichere Lieferung von Medikamenten. Richters Erfahrung ist ein klares Signal für andere ungarische Unternehmen: Indien ist nicht nur ein riesiger Markt, sondern auch ein transparenter und zuverlässiger.
Reform mit einer Vision
Der Ansatz von Premierminister Modi war immer, Wachstum mit guter Regierungsführung zu verbinden. Die GST 2.0 spiegelt diese Vision wider. Es geht um die Erleichterung von Geschäften, digitale Innovation und die Angleichung Indiens an globale Standards. Für Ungarn bedeutet dies einen Partner, der sich in einer Weise modernisiert, die die Zusammenarbeit reibungsloser und lohnender macht.
Bei dieser Reform geht es nicht nur um Steuern. Sie ist eine Einladung, widerstandsfähige Lieferketten aufzubauen, grüne Technologien zu erweitern und gemeinsam bei digitalen Dienstleistungen innovativ zu sein. Die GST 2.0 wird sowohl für ungarische als auch für indische Unternehmen nie dagewesene Möglichkeiten eröffnen. Der Weg von Budapest nach Bengaluru war noch nie so reibungslos.
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