Selbstreplizierende Krebse bedrohen das Ökosystem eines historischen österreichisch-ungarischen Sees

Der Fertő-See hat schon lange mit invasiven Arten zu kämpfen, aber die Ankunft des Marmorkrebses hebt das Problem auf ein neues Niveau. Dieses Krustentier pflanzt sich ohne Männchen fort, was bedeutet, dass ein einziges Individuum eine ganze Kolonie hervorbringen kann.

Experten befürchten, dass das empfindliche Ökosystem des Sees nicht in der Lage sein wird, mit einem solchen Eindringling fertig zu werden – zumal die Art auch eine tödliche Krankheit verbreiten kann.

Von deutschen Aquarien zu offenen Gewässern

Der Marmorkrebs tauchte erstmals in den 1990er Jahren bei deutschen Aquarianern auf. Er stammt vom amerikanischen Flusskrebs ab, von dem eine Linie plötzlich eine neue Art der Fortpflanzung entwickelte. Das macht das Tier besonders gefährlich.

Der Marmorkrebs pflanzt sich durch Parthenogenese fort: Jedes Individuum ist weiblich und in der Lage, selbst Nachkommen zu produzieren. In der Praxis bedeutet dies, dass bereits ein einziges Exemplar ausreicht, um innerhalb kurzer Zeit eine Population zu gründen.

Ursprünglich wurde die Art in Aquarien gehalten, aber aufgrund ihrer schnellen Vermehrung setzten viele Besitzer sie in nahe gelegene Gewässer aus. Von dort aus verbreitete sich der Flusskrebs über ganz Europa und wurde inzwischen auch auf anderen Kontinenten nachgewiesen, mit bekannten Populationen auch in Afrika und Asien.

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Marmorkrebs (Procambarus virginalis) – mit einem Handnetz gefangenes Exemplar in Deutschland. Foto: Wikimedia Commons / Lorenz Seebauer

In Ungarn wurde er zunächst in künstlichen Lebensräumen wie Thermalseen und städtischen Kanälen entdeckt. Forscher warnen nun jedoch, dass die wirkliche Gefahr gerade erst begonnen hat.


Die Krebspest kann ganze Populationen auslöschen

Das Tier selbst ist bereits ein ernstes Problem, aber die größte Gefahr geht von einer Krankheit aus, die es in sich trägt: die Krebspest. Dieser pilzartige Krankheitserreger ist für die in Europa heimischen Flusskrebsarten fast immer tödlich, da es ihnen an einer natürlichen Resistenz fehlt. Sobald er auftritt, kann er ganze Populationen innerhalb von Wochen vernichten – und es gibt praktisch keine Möglichkeit, ihn aufzuhalten.

Das Risiko wird durch die Tatsache verstärkt, dass der einheimische europäische Flusskrebs, der in ungarischen Gewässern einst weit verbreitet war, bereits im Rückgang begriffen ist. Wenn die Krebspest rund um den Fertő-See Fuß fasst, könnten die verbleibenden Populationen für immer verschwinden.


Ungarische Forscher bestätigten ihr Vorkommen

Österreichische Wissenschaftler meldeten bereits im Sommer 2023 ein massenhaftes Auftreten der Art an den westlichen Ufern des Fertő-Sees. In diesem Frühjahr bestätigten auch ungarische Forscher das Vorkommen der Art: Experten des Fertő-Hanság-Nationalparks und der Ungarischen Ichthyologischen Gesellschaft fingen mehrere Exemplare in der Nähe des Fertőrákos und des Virágosmajor-Hafens. Wie magyarallatvedelem.hu berichtet, verwendeten sie sowohl Handnetze als auch Elektrofischereigeräte, um das Vorkommen der Art zu bestätigen.

Der Marmorkrebs verursacht an mehreren Fronten Probleme. Er konkurriert mit einheimischen Arten um Nahrung, untergräbt die Ufer und beschädigt die Entwässerungssysteme.

Bei der Beprobung wurden auch andere invasive Fischarten – wie Kürbiskerne und Rundgrundeln – entdeckt, was zeigt, dass der Fertő-See zunehmend zu einem Zufluchtsort für ungebetene Gäste wird.

Den Forschern zufolge gelten die jüngsten Fänge selbst bereits als Warnzeichen. Wenn sich die Art weiter ausbreitet, könnten das ökologische Gleichgewicht und die einheimische Tierwelt des Fertő-Sees in Gefahr sein. Vorbeugende Maßnahmen, so betonen sie, sind so schnell wie möglich erforderlich – bevor es unmöglich wird, die Art einzudämmen.

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