Als die UNO die ungarische Revolution von 1956 gegen die Sowjetherrschaft untersuchte

Ein Jahr nach der Niederschlagung der Revolution hielten die Vereinten Nationen geschlossene Anhörungen ab, um zu verstehen, was im Herbst 1956 in Ungarn geschehen war. Die Zeugenaussagen enthüllten das wahre Gesicht des Aufstandes – dasjenige, das die sowjetische Propaganda zu verbergen versuchte.
Die UN-Untersuchung
Im Januar 1957 setzten die Vereinten Nationen den Sonderausschuss für das Ungarn-Problem – bekannt als “Ausschuss der Fünf” – ein, um die Revolution und die sowjetische Intervention zu untersuchen. Der Ausschuss setzte sich aus Vertretern aus Australien, Dänemark, Ceylon (heute Sri Lanka), Tunesien und Uruguay zusammen.
Sie hörten 111 ungarische Zeugen sowohl in privaten als auch in öffentlichen Sitzungen. Zu den ersten Zeugen gehörten Anna Kéthly, sozialdemokratische Ministerin in der Regierung Imre Nagy, Béla Király, Kommandant der Nationalgarde, und József Kővágó, ehemaliger Bürgermeister von Budapest.
Der Ausschuss veröffentlichte seinen Bericht im Sommer 1957 und kam zu dem Schluss, dass:
“Die Ereignisse in Ungarn waren nicht das Ergebnis einer geplanten Verschwörung, sondern ein spontaner, demokratischer Aufstand eines unterdrückten Volkes für die Freiheit.”
Der Bericht bezeichnete die sowjetische Militäraktion als externe Aggression, die gegen die UN-Charta und das Völkerrecht verstieß. Die neu gebildete Kádár-Regierung wurde effektiv als Marionettenregime betrachtet, das im Schatten ausländischer Waffen errichtet wurde.
Propaganda und Realität
Ende Oktober 1956 hatten sich die Nachrichten über die Revolution in der ganzen Welt verbreitet. Zur gleichen Zeit startete die Sowjetunion eine groß angelegte Informationskampagne. Die Moskauer Prawda und die ungarische Parteipresse wetteiferten darin, die Revolutionäre als “reaktionäre Banden” zu bezeichnen, die die Volksdemokratie stürzen wollten, und behaupteten, dass sowjetische Truppen in Budapest einmarschierten, um die “Macht der Arbeiter und Bauern” zu verteidigen.
Die offizielle sowjetische Erklärung, die von Radio Moskau am 30. Oktober 1956 ausgestrahlt wurde, erklärte:
“Die feste Grundlage der sowjetischen Außenpolitik ist die friedliche Koexistenz, die freundschaftliche Zusammenarbeit und die gegenseitige Unterstützung der sozialistischen Länder.”
Während sowjetische Panzer in den Straßen von Budapest kämpften, benutzte Moskau den Slogan der “friedlichen Koexistenz”, um die Natur seiner militärischen Intervention zu verschleiern. Die sowjetische Presse und Propaganda bezeichnete die ungarischen Revolutionäre als “faschistischen Mob”, “westliche Agenten” und “Konterrevolutionäre”.

Wenige Tage später meldeten Pravda und Iswestija bereits, dass “die Ordnung in Budapest wiederhergestellt ist, das ungarische Volk seine Regierung unterstützt und nie eine Revolution wollte.” Nach dieser Darstellung handelte es sich in Ungarn nicht um einen Volksaufstand, sondern um einen vom Ausland angezettelten Aufruhr, der angeblich durch die “brüderliche Hilfe” der sowjetischen Armee eingedämmt wurde. Die Geschichte verbreitete sich schnell im gesamten Ostblock, wobei tschechoslowakische, ostdeutsche und rumänische Zeitungen die Moskauer Version Wort für Wort wiederholten.
Empörung ohne Taten
Die westliche Welt reagierte schnell und mit scharfen Worten. Die Vereinigten Staaten, Frankreich und das Vereinigte Königreich verurteilten die sowjetische Intervention und die Vereinten Nationen setzten die “ungarische Frage” innerhalb weniger Tage auf ihre Tagesordnung. Am 4. November 1956 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 120, in der die Invasion verurteilt und eine Dringlichkeitssitzung der Generalversammlung einberufen wurde.
Doch hinter der diplomatischen Rhetorik verbarg sich keine wirkliche Macht. Zur gleichen Zeit brach die Suez-Krise aus und lenkte die Aufmerksamkeit Großbritanniens und Frankreichs auf Ägypten. Eine militärische Aktion war nie eine Option und das Machtgleichgewicht des Kalten Krieges band den Amerikanern die Hände.
In ganz Europa und Nordamerika füllten Proteste die Straßen, Zeitungen forderten den Abzug der sowjetischen Truppen, und rund 200.000 ungarische Flüchtlinge fanden in Österreich, Deutschland, Kanada und den Vereinigten Staaten eine neue Heimat.

Die Radiosender – BBC, Voice of America und Radio Free Europe – berichteten während des Aufstands mit Sympathie und Ermutigung, aber die Hilfe, auf die die Revolutionäre hofften, kam nicht. Die US-Regierung vermied jede direkte Konfrontation mit der Sowjetunion.
Das Vermächtnis des UN-Berichts
Die Archive des Komitees wurden später von der in Ungarn geborenen UN-Beamtin Claire de Héderváry bewahrt, die sie vor der Zerstörung bewahrte. Nach den UN-Archivierungsvorschriften hätten die Materialien nach drei Jahren vernichtet werden müssen, aber sie erhielt die Erlaubnis, sie aufzubewahren. 1998 wurde die 30.000 Seiten umfassende Sammlung an die Nationale Széchényi-Bibliothek in Budapest übergeben, wo sie bis heute zugänglich und digitalisiert ist.

