Das 1,5 Millionen Jahre alte Rätsel des “Nussknacker-Menschen” könnte endlich gelöst werden

Ein bedeutender wissenschaftlicher Durchbruch könnte bald alles über einen der umstrittensten prähistorischen Vorfahren des Menschen enthüllen.
Ein langwieriger wissenschaftlicher Disput könnte sich seinem Ende nähern: Die Entdeckung einer versteinerten Hand scheint zu bestätigen, dass Paranthropus boisei – besser bekannt als der “Nussknacker-Mensch” – tatsächlich Werkzeuge benutzte, so ein Artikel von National Geographic.
Die Entdeckung des “Nussknacker-Menschen”
Das Rätsel um P . boisei geht auf den Juli 1959 zurück, als die britische Archäologin Mary Leakey in der Olduvai-Schlucht in Tansania, einer für ihre reichen archäologischen Funde bekannten Stätte, die Überreste eines frühen menschlichen Schädels ausgrub.
Ihre Entdeckung gewann an Bedeutung, weil sie und ihr Mann, Louis Leakey, dort bereits 1931 Steinwerkzeuge gefunden hatten, von denen die Forscher annahmen, dass sie von dem Homininen mit den kräftigen Kiefern stammen, der später wegen seiner massiven Backenzähne den Spitznamen “Nussknacker-Mann” erhielt.
Der Fund löste jedoch eine hitzige Debatte innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft aus. Viele bezweifelten, dass diese Spezies – später Paranthropus boisei genannt – die Werkzeuge tatsächlich hergestellt hatte. Selbst der Sohn des Paares, Richard Leakey, stellte die Hypothese seiner Eltern in Frage. Um die Theorie zu bestätigen, benötigten die Wissenschaftler einen weiteren entscheidenden Beweis: versteinerte Handreste. Jahrzehntelang wurden keine gefunden – bis jetzt.
Der Durchbruch der Enkelin
Louise Leakey, die Enkelin von Mary und Louis, und ihr Forschungsteam haben die Entdeckung von Handfossilien von P. boisei in der Nähe des Turkana-Sees in Kenia bekannt gegeben. Neben den Handknochen wurden auch Schädelfragmente und Zähne entdeckt, die wahrscheinlich zu diesem viel diskutierten Vorfahren gehörten.
Laut der Analyse des Teams waren die Hände von P. boisei sowohl stark als auch geschickt genug, um Steinwerkzeuge herzustellen und zu benutzen. Die Forscher gaben jedoch zu bedenken, dass dies zwar beweist, dass die Spezies über die notwendigen körperlichen Fähigkeiten verfügte, aber dennoch nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden kann, dass P. boisei diese Werkzeuge tatsächlich hergestellt hat.
Wiederbelebung einer alten Theorie
Die neu gefundenen Fossilien könnten nun die jahrzehntealte Theorie von Louis Leakey über den “Nussknacker-Mann” unterstützen. Leakey argumentierte, dass P. boisei relativ schwache und unterentwickelte Schneide- und Eckzähne hatte, was es schwierig machte, die Häute gejagter Tiere mit seinen Zähnen zu zerreißen. Er glaubte, dass die Spezies daher Werkzeuge entwickelte, um Fleisch zu verarbeiten.
Doch in den 1960er Jahren begann Leakey nach der Untersuchung des Schädels von Homo habilis, der gemeinhin als “handlicher Mensch” bezeichnet wird, an seiner früheren Schlussfolgerung zu zweifeln. Die nachfolgende Forschung über P. boisei blieb weitgehend spekulativ.
1969 entdeckte Richard Leakey einen weiteren P . boisei-Schädel in der Nähe des Turkana-Sees und nutzte diesen Fund, um die Behauptungen seines Vaters zu widerlegen. Er argumentierte, dass der kräftige Kiefer und die großen Backenzähne auf eine pflanzliche Ernährung hindeuteten, was es unwahrscheinlich machte, dass die Spezies Werkzeuge zum Schneiden oder Durchbohren benötigte. Da in der gleichen Region auch Fossilien von Homo habilis und Homo erectus gefunden wurden, schloss Richard, dass diese weiter entwickelten Vorfahren die wahren Werkzeugmacher waren.
Mehr Forschung für die Zukunft
Die kürzlich ausgegrabenen Handfossilien deuten darauf hin, dass P. boisei lange, leicht gebogene Finger und breite Fingerspitzen besaß – Merkmale, die relativ präzise Fingerbewegungen ermöglichten. Dennoch ist es möglich, dass diese Spezies, wie moderne Affen, diese Beweglichkeit für Aufgaben wie das Hochziehen von Pflanzen oder Klettern nutzte, anstatt Werkzeuge herzustellen. Um dies mit Sicherheit feststellen zu können, werden weitere Beweise benötigt.
Diese bahnbrechende Entdeckung könnte nicht nur unser Verständnis des “Nussknacker-Menschen” verändern, sondern auch die breitere wissenschaftliche Perspektive auf die menschliche Evolution. Passenderweise ist sie eine gemeinsame Leistung von drei Generationen der Familie Leakey.
Von Bence Morvai

