Op-ed: Kosovo mit 26 Jahren – Von der Befreiung zur Führungsrolle

Von Delfin Pllana, Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Republik Kosovo in Ungarn
In diesem Jahr begeht die Republik Kosovo 26 Jahre Freiheit – ein bleibendes Zeugnis für die Widerstandsfähigkeit ihres Volkes und die Legitimität ihres souveränen Weges. Der Tag der Befreiung ist nicht nur ein historischer Meilenstein, sondern ein entscheidender Moment im weltweiten Kampf gegen Tyrannei und Völkermord. An diesem Tag gedenken wir der gerechten Sache des Kosovo-Befreiungskrieges und der entschlossenen internationalen Aktion unter Führung der NATO, die eine brutale Kampagne der ethnischen Säuberung durch das Milosevic-Regime gestoppt hat.

Die Intervention der NATO im Jahr 1999 war nicht nur militärisch, sondern auch moralisch. Sie signalisierte der Welt, dass der Schutz der Zivilbevölkerung und der Menschenrechte Vorrang vor politischem Zögern haben muss. Die Freiheit des Kosovo wurde uns nicht geschenkt; sie wurde durch Blut, Widerstand und die Solidarität demokratischer Nationen verdient. Heute bekräftigen wir unsere Dankbarkeit gegenüber den westlichen Verbündeten und insbesondere der NATO, deren kollektives Gewissen dem Kosovo eine Chance zum Leben gab.
Das Kosovo hat sich seine Freiheit mit Entschlossenheit und Fortschritt zu eigen gemacht. Unser Staatsaufbauprojekt ist eine der klarsten Erfolgsgeschichten Europas im Bereich der Transformation nach einem Konflikt. Mit einem beständigen Wirtschaftswachstum von durchschnittlich über 4% ist das Kosovo heute führend in der Wirtschaftsleistung des westlichen Balkans. Die jüngste Liberalisierung der Visabestimmungen für die Europäische Union, die am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, zeigt, dass die EU die institutionelle Reife und die rechtliche Anpassung des Kosovo anerkennt. Darüber hinaus bestätigen die jüngsten Anerkennungen durch Kenia und den Sudan die wachsende globale Legitimität des Kosovo und seine zunehmende diplomatische Präsenz.
Wir sind nicht länger eine Frage auf der internationalen Agenda – wir sind Teil der Antwort auf die demokratische und sicherheitspolitische Zukunft Europas. Der Kosovo hat messbare Fortschritte in den Bereichen Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung gemacht. Mit Platz 73 im Transparency International Index schließt das Kosovo weiterhin die Lücke zu den etablierten Demokratien. Die Gründung des Instituts für die Erforschung und Dokumentation von Kriegsverbrechen ist ein starkes Signal, dass der Kosovo die Gerechtigkeit ernst nimmt, nicht nur für seine eigene Bevölkerung, sondern auch für die internationale Rechtsordnung.
Unsere Demokratie ist inklusiv und zukunftsorientiert. Der Kosovo wurde von den führenden Juristen des Europarats dafür anerkannt, dass er die internationalen Standards im Bereich der Minderheitenrechte übertrifft – ein Beweis dafür, dass unsere Gesellschaft, die im Widerstand geboren wurde, in Toleranz verwurzelt ist. Wir bauen nicht nur einen Staat auf, sondern auch eine Zukunft, an die es sich zu glauben lohnt.
Parallel dazu beweist das Kosovo weiterhin strategische Reife in der Region. Trotz der anhaltenden Provokationen Serbiens hat sich das Kosovo weiterhin für den Normalisierungsprozess eingesetzt. Die Abkommen von Brüssel und Ohrid, die 2023 unterzeichnet wurden, zeugen von der konsequenten Bereitschaft des Kosovo zu einem konstruktiven Dialog, der sich auf klare Prinzipien und eine internationale Ausrichtung stützt. Wir wollen Frieden, nicht um jeden Preis, sondern mit gegenseitiger Anerkennung, Würde und Respekt.
Die regionale Rolle des Kosovo ist stabilisierend und zukunftsweisend. Während andere Teile der Welt mit einem demokratischen Rückschritt konfrontiert sind, fördert das Kosovo aktiv Transparenz, Integration und institutionelle Entwicklung. Unsere Teilnahme an regionalen Foren, bilateralen Partnerschaften und globalen Initiativen zeigt, dass das Kosovo nicht nur bereit ist, sich in die euro-atlantischen Strukturen zu integrieren, sondern auch einen sinnvollen Beitrag dazu zu leisten. Die bevorstehenden Mittelmeerspiele 2030, die das Kosovo ausrichten wird, sind nicht nur ein Sportereignis – sie sind ein Symbol für Offenheit, Einheit und moderne Identität.
Mit Blick auf die Zukunft istdas Kosovo entschlossen, seine Beziehungen zu Ungarn zu vertiefen – einerNation, die sowohl die Komplexität des Balkans als auch das Versprechen der europäischen Einigung versteht. Unsere Beziehungen zu Ungarn haben nicht nur historisches Gewicht, sondern auch strategische Tiefe. Wir begrüßen Ungarns Fachwissen, sein Investitionspotenzial und seine Unterstützung in den Institutionen der EU und der NATO. Während wir unseren Integrationsweg beschleunigen, sieht das Kosovo Ungarn nicht nur als regionalen Partner, sondern auch als Tor zu einem größeren europäischen Engagement. Von Handel und Bildung bis hin zu Sicherheit und Kultur gibt es ein enormes ungenutztes Potenzial für die Zusammenarbeit zwischen dem Kosovo und Ungarn, das auf gemeinsamen Werten und gegenseitigen Bestrebungen beruht.
Dieser 26. Jahrestag ist mehr als eine Reflexion über das Erreichte; er ist ein klarer Aufruf zum Handeln für das, was als nächstes kommen muss. Der Kosovo ist bereit, eine Führungsrolle zu übernehmen, eine Partnerschaft einzugehen und seine Rolle als voll integrierte europäische Demokratie zu erfüllen. Unsere Botschaft an Freunde und Verbündete ist einfach: Wir erinnern uns an Ihre Unterstützung, wir würdigen unsere Fortschritte und wir blicken in die Zukunft – mit Mut, Klarheit und Engagement.
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