Op-ed: Von Stipendien zur Wissenschaft – Wie internationale Studenten die Forschungsleistung Ungarns neu gestalten

In den letzten zehn Jahren hat sich Ungarn in aller Stille zu einem der attraktivsten Ziele für internationale Studenten in Europa entwickelt. Dieser Aufstieg ist nicht zufällig und auch nicht nur ein Produkt des Marketings oder der touristischen Attraktivität. Was hier geschieht, hat einen tieferen Grund: Ungarn erlebt einen strategischen Wandel in der Zusammensetzung seiner akademischen Gemeinschaft – und junge Forscher führen diese zunehmend aus dem Ausland an.
Die Zahlen veranschaulichen diesen Wandel deutlich. Im Studienjahr 2020/21 waren rund 32.400 internationale Studenten an ungarischen Universitäten eingeschrieben. Bis 2024/25 überstieg diese Zahl 40.200. Das ist keine marginale Fluktuation. Dies entspricht einem Zuwachs von mehr als 8.000 neuen ausländischen Studenten innerhalb von nur vier Studienzyklen – fast die gesamte Größe einer mittleren ungarischen Universität, die komplett aus dem Ausland kommt.

Die Forschungsleistung ist stark angestiegen. Der Einfluss wird jedoch nicht auf der Bachelor-Ebene, sondern auf der Doktoranden-Ebene wirklich bedeutsam.
Im akademischen Jahr 2015/16 beherbergte Ungarn etwas mehr als 7.300 Doktoranden und DLA-Studenten. Bis 2024/25 wird diese Zahl auf 11.017 ansteigen.
Mit anderen Worten: In weniger als einem Jahrzehnt kamen fast 4.000 weitere Doktoranden zum akademischen Ökosystem des Landes hinzu. Dies ist eine der stärksten Triebfedern für die wachsende Wettbewerbsfähigkeit Ungarns in der Forschung – denn Doktoranden sind keine passiven Lernenden, sie veröffentlichen Artikel, nehmen an Konferenzen teil, sind Co-Autoren internationaler Arbeiten und verbinden Ungarns Forschung mit Netzwerken in Asien, Afrika, dem Nahen Osten und darüber hinaus.
Hinter diesem Aufschwung steht ein wichtiges Instrument: das Stipendium Hungaricum Stipendienprogramm. Im Jahr 2015 gab es nur 1.300 Stipendienempfänger. Bis 2020 ist diese Zahl auf fast 11.000 gestiegen. Diese Verzehnfachung ist nicht nur symbolisch – sie hat direkt Tausende von forschungsorientierten Wissenschaftlern in die ungarischen Labore und Universitäten gebracht. Die Forschungsleistung wurde durch den Anstieg der internationalen Studenten erhöht. Von 2015 bis 2023 stieg der ungarische Scopus-indizierte Output von ca. 17,2k auf 24,3k Dokumente – ein Anstieg von etwa 40 % innerhalb von acht Jahren, was ein stetiges Wachstum des nationalen Forschungsoutputs zeigt.
Als dieses Talent ankam, wuchs etwas anderes parallel dazu: Ungarns Forschungswirtschaft. Zwischen 2021 und 2023 stieg der Wert der wissenschaftlichen F&E-Produktion in Ungarn von 1,16 Milliarden Euro über 1,27 Milliarden Euro auf 1,31 Milliarden Euro. Es wäre zu einfach zu behaupten, dass jeder Euro Anstieg ausschließlich auf ausländische Doktoranden zurückzuführen ist – aber es wäre ebenso falsch, die Angleichung dieser beiden Trends zu ignorieren. Global gesehen ist die Logik bewiesen. Die Länder mit den höchsten Anteilen an internationalen Studenten – Kanada (≈39%), Australien (31%), Vereinigtes Königreich (27%) – sind genau die Länder, die in Bezug auf internationale Koautorenschaft, Zitationswirkung und Wissensexport weltweit führend sind.
Israel hat zwar nur etwa 2 % internationale Studenten, aber fast die Hälfte aller Postdocs sind ausländische Wissenschaftler, und Israel ist eines der forschungsproduktivsten Länder der Welt pro Kopf.
Diese Länder nehmen ausländische Studenten nicht aus Großzügigkeit auf.
Sie tun dies aus einer wirtschaftlichen Strategie heraus. Ungarn befindet sich in einer sehr vielversprechenden Position – etwa 14% internationaler Anteil in seinem Hochschulsystem. Nicht an der Spitze – aber aufsteigend. Wichtig ist, dass es strategisch aufwärts geht.

Ausländische Doktoranden nehmen zu: gemeinsam verfasste ungarische Forschungspublikationen, internationale Konferenzteilnahmen, länderübergreifende akademische Zusammenarbeit und die Sichtbarkeit ungarischer Universitäten im Ausland. Ungarn nimmt nicht nur Studenten auf – es importiert auch Wissensnetzwerke. Und der Europäische Innovationsanzeiger 2024 bestätigt dieses Muster: Die Länder, die in der Kategorie “attraktive Forschungssysteme” am besten abschneiden, sind diejenigen mit starken ausländischen Doktorandengemeinschaften. Die Schweiz, Luxemburg, die Niederlande, Schweden – das sind keine großen Länder, aber sie haben früh verstanden, dass globale Forschungsexzellenz globale Forschungstalente erfordert.
Die Frage ist also nicht, ob internationale Studenten den ungarischen Universitäten nützen.
Eine der brillanten Initiativen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften ist die Gründung des ungarischen Konsortiums EISZ, das eine Vereinbarung getroffen hat, um Autoren in Ungarn zu unterstützen, die bei renommierten Verlagen Open Access veröffentlichen wollen. So muss Ungarn einige Initiativen ergreifen, um das Wachstum aufrechtzuerhalten. Die Frage ist, ob Ungarn diesen Schwung in einen langfristigen wissenschaftlichen Vorteil umwandeln wird. Um das zu erreichen, muss Ungarn Folgendes tun:
- die Aufenthaltsmöglichkeiten nach der Promotion erleichtern
- -die Möglichkeiten für Post-Doktoranden initiieren
- -das Stipendium Hungaricum strategisch auf MINT- und Technologieprioritäten ausweiten
– Ausweitung der verschiedenen Stipendienoptionen für Forschungsstudenten - Erleichterung des Einwanderungsprozesses für Forschungsstudenten und ihre Familienangehörigen
- Belohnung von Co-Autorenschaft und internationalen Veröffentlichungen in Forschungsförderungsmodellen
Ungarn muss nicht die anglo-amerikanischen Studiensysteme kopieren. Sein komparativer Vorteil ist ein anderer – es ist die Internationalisierung der Forschung durch Stipendien. Und genau deshalb ist dieser Moment so wichtig. Denn internationale Studenten sind keine vorübergehenden Gäste im Klassenzimmer. Sie sind der Treibstoff für Ungarns zukünftige wissenschaftliche Leistung.

Jeder ausländische Doktorand bringt Methoden, Netzwerke und Kooperationskanäle mit, die Ungarn vorher nicht hatte. Wenn Ungarn diese Studenten behält – wenn es sie integriert, sie unterstützt und sie von Studenten zu dauerhaften Forschern macht – kann sich Ungarn von einem regionalen Bildungsstandort zu einer mitteleuropäischen Forschungsmacht entwickeln. Die Gelegenheit ist bereits da. Die Daten zeigen bereits die Richtung an. Und die nächsten Schritte hängen von einer strategischen Entscheidung ab:
Will Ungarn internationale Studenten einfach nur “beherbergen” – oder will Ungarn um sie konkurrieren? Die Antwort auf diese Frage wird Ungarns Forschungsstärke für die nächste Generation bestimmen.
Geschrieben von: Mohammad Fakhrul Islam
Doktorand, Ungarische Universität für Landwirtschaft und Biowissenschaften (MATE), Gödöllő, Ungarn & Gastwissenschaftler, Széchenyi István Universität, Győr, Ungarn. E-Mail: is********************@**********te.hu
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