Wird es jemals eine ehrliche Zusammenarbeit zwischen Ungarn und der Slowakei geben?

Ausführungen des Jobbik-Europaabgeordneten Márton Gyöngyösi:
Es ist keine neue Idee, das Bündnis benachbarter Staaten zu entwickeln oder zu institutionalisieren, die bereits enge Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut haben, vielleicht sogar viele historische Erfahrungen und kulturelle Elemente gemeinsam haben. Als Beispiel möchte ich das Visegrad-Abkommen nennen, das Ungarn, Tschechien und Polen 1335 geschlossen haben, um das Grundrecht Wiens zu umgehen.
Europa und insbesondere bestimmte EU-Mitgliedstaaten verfügen außerdem über mehrere Kooperationsabkommen, um die Interessen einer Region im Einklang mit den Zielen der EU wirksam zu vertreten.
Deshalb war es für Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn nach dem Zusammenbruch des Kommunismus eine so zukunftsweisende Idee, auf das Erbe des mittelalterlichen Abkommens zurückzugreifen und sich für eine engere Zusammenarbeit zu entscheiden, zu diesem Zweck gründeten sie die Visegrad-Gruppe, die vier statt ursprünglich drei Mitglieder hatte, als sich Tschechien und die Slowakei 1993 voneinander trennten. Ist es uns gelungen, die Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit zu nutzen?
Welche Schlüsse können wir aus den dreißig Jahren des V4-Projekts ziehen?
Leider ist das Bild recht durchwachsen und man könnte es kaum als Erfolgsgeschichte bezeichnen, auch wenn Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn viele historische Erfahrungen gemeinsam haben und sich ihre Interessen in vielen Fragen überschneiden, sind sie doch auch von ebenso vielen historischen Mißständen und sogar konkreten Auseinandersetzungen schon von der Geburt der Kooperation an gespalten, in den meisten dieser Fragen sind seither keine wirklichen Fortschritte zu verzeichnen.
Ungarn und die Slowakei befinden sich in ständigen und immer wieder aufkommenden Streitigkeiten über Themen wie die Interpretation ihrer gemeinsamen Geschichte oder die Situation der in der Slowakei lebenden ungarischen Minderheit
Beidem ist durch die V4-Kooperation in keinem Umfang geholfen worden Als westlichstes Mitglied des Bündnisses hat Tschechien ständig bessere Optionen ins Auge gefasst und versucht, aus seinen engeren Verbindungen mit Westeuropa Kapital zu schlagen.
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Polen, das an Territorium und Bevölkerung größer ist als die anderen drei Mitglieder zusammen, hat offensichtlich eine völlig andere Sicht auf jede Zusammenarbeit als die mittelgroßen mitteleuropäischen Länder.
Kein Wunder, dass der V4 Mitte der 2010 er Jahre in einen Tiefkühlzustand geriet
und verlor ständig an Bedeutung, bis 2015 die Migrationskrise ausbrach und den Trend veränderte.
Diese Krise brachte eine historische Situation, wo Warschau, Prag, Bratislava und Budapest eine beachtlich ähnliche Position einnahmenViele dachten damals, die Position der Gruppe zur Migration könnte dazu führen, dass die vier Länder auch in anderen Fragen eine gemeinsame Haltung einnehmen Es ist jedoch nie passiert Tatsächlich können wir sogar so weit gehen zu sagen, dass das V4-Projekt der Kurzsichtigkeit und politischen Gier der Regierungen seiner Mitgliedstaaten zum Opfer fiel.
Budapest und in geringerem Maße Warschau erkannten die politischen PR-Möglichkeiten, die die V4-Kooperation bot
Prag und Bratislava schlossen sich aber nicht an.
Außerdem konnten weder die ungarische noch die polnische Seite andere Inhalte produzieren als eine Reihe immer heftigerer Anti-Migrations-Parolen oder die EU verunglimpfenEs hätte kaum überraschen dürfen, da das vielleicht stärkste Glied der V4-Länder ihre Abhängigkeit von westlichen (vor allem deutschen) Wirtschaftsinteressen ist Diese Abhängigkeit zeigt sich deutlich in der Struktur ihrer Volkswirtschaften sowie dem Fehlen ihrer unabhängigen bilateralen Verbindungen untereinander, um diesen Punkt zu veranschaulichen, möchte ich die Tatsache erwähnen, dass alle vier Länder in den vergangenen dreißig Jahren zwar ausreichende Ost-West-Verkehrswege gebaut haben,
Von Budapest aus besteht noch keine Autobahnverbindung nach Warschau
(und Sie müssen auch einen beträchtlichen Umweg von Bratislava aus machen).
Was jede in Europa vertretene gemeinsame Politik angeht, so ist die Lage noch desillusionierender, während die Regierungen der Tschechischen Republik und des nunmehrigen Eurozonen-Mitglieds Slowakei sich zurückhaltend zeigen, sich innerhalb der EU in Konfrontationen zu begeben, ist die Agenda “Mitteleuropäismus” von Budapest und Warschau im Wesentlichen auf eine ständige Suche nach Feinden innerhalb des Bündnisses reduziert worden.
Natürlich kann man, nachdem man so viel Negatives über das Innenleben der V4 gelesen hat, zu Recht fragen, ob diese Kooperation irgendeinen Sinn hat.
Trotz aller Schwierigkeiten bin ich überzeugt, dass es sie gibt Doch so wie alle erfolgreichen europäischen Kooperationssysteme (wie die skandinavischen oder die baltischen Beispiele) auf positiven Einstellungen und Proaktivität beruhen, kann die V4 nur dann erfolgreich sein, wenn ihre Mitglieder endlich aufhören, sie als innenpolitisches Instrument oder ideologische Grundlage für das “Trolling” Europas zu betrachtenIch hoffe als Ungar, dass Budapest 2022 die notwendige Veränderung erleben wird, um sie zu verwirklichen Danach könnten wir vielleicht besser Tschechien und die Slowakei einbeziehen, und die V4 könnte endlich den Platz in der mitteleuropäischen Politik einnehmen, den sie von Anfang an hätte einnehmen sollen.

