Ungarn geht wieder einmal seinen eigenen Weg: Einziges EU-Land, das sich weigerte, die Kondolenzerklärung für Serbien zu unterzeichnen

Als sich Zehntausende in Serbien versammelten, um des ersten Jahrestages der Bahnhofstragödie von Novi Sad zu gedenken, gaben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie ihr Beileid ausdrückten – mit einer bemerkenswerten Ausnahme. Ungarn war das einzige EU-Land, das das Dokument nicht unterzeichnete und sich damit einmal mehr von der europäischen Gemeinschaft isolierte.

Ein Jahr nach der Tragödie, die 16 Menschenleben in Serbien forderte

Am 1. November 2024 stürzte das frisch renovierte Dach des Bahnhofs von Novi Sad ein und tötete 16 Menschen. Die Katastrophe hinterließ eine tiefe Narbe in Serbien, wo seither regelmäßig Proteste gegen die Regierung von Präsident Aleksandar Vučić stattfinden. Die Tragödie lenkte die Aufmerksamkeit nicht nur auf Mängel bei den Sicherheitsvorschriften, sondern auch auf Fragen der Korruption und Verantwortungslosigkeit der Regierung.

Der Bahnhof wurde als Teil der Bahnlinie Belgrad-Budapest mit chinesischer Beteiligung modernisiert. Oppositionsgruppen behaupteten, das Projekt sei von schwerwiegenden Missständen und politischer Einmischung geprägt gewesen, berichtet HVG. Nach der Tragödie entstanden Studentenbewegungen, die Rechenschaftspflicht und demokratische Reformen forderten – Bewegungen, die das öffentliche Leben in Serbien auch heute noch prägen.

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Foto: Anadolu Agency/Amir Hamzagic

Europa drückt sein Mitgefühl aus, Ungarn bleibt stumm

Anlässlich des Jahrestages veröffentlichte die EU-Delegation in Serbien eine gemeinsame Erklärung, die von den Botschaften von 26 Mitgliedsstaaten – alle außer Ungarn – unterzeichnet wurde. Das Dokument übermittelte den Familien der Opfer das “tiefste Beileid und aufrichtige Mitgefühl” der Union und erinnerte daran, dass die Grundrechte – einschließlich der Versammlungs- und Pressefreiheit – im Mittelpunkt der europäischen Werte stehen.

Die Erklärung rief auch alle dazu auf, Zurückhaltung zu üben, Gewalt zu vermeiden und die Opfer mit Würde zu ehren. Damit brachten die EU-Mitgliedstaaten nicht nur ihr Mitgefühl zum Ausdruck, sondern bekräftigten auch ihre Solidarität mit der serbischen Zivilgesellschaft.

Ungarn schloss sich dieser Erklärung jedoch nicht an und gab keine Erklärung für seine Entscheidung ab. Damit stand das Land innerhalb der EU wieder einmal alleine da und stellte sich symbolisch auf die Seite der serbischen Regierung und nicht auf die Seite der Bürger, die für einen Wandel protestieren.

Strategische Ruhe oder bewusste Distanzierung?

Während die serbischen Behörden mehrere ungarische Studenten als Risiko für die nationale Sicherheit bezeichneten und ihnen während der Gedenkfeiern die Einreise verwehrten, reagierte das ungarische Außenministerium lediglich mit “strategischer Ruhe”. Die Regierung gab keine offizielle Erklärung dafür ab, warum sie sich der gemeinsamen Botschaft der EU nicht anschließen wollte.

Die Geste fügt sich jedoch nahtlos in das außenpolitische Muster der Regierung Orbán ein: In den letzten Jahren hat sich Budapest in Fragen, die Russland, China und die politischen Entwicklungen auf dem westlichen Balkan betreffen, wiederholt gegen den EU-Konsens gestellt.

Ein weiteres Zeichen der Isolation

Die Entscheidung Ungarns, sich am Jahrestag der Tragödie von Novi Sad abzuschotten, ist mehr als nur ein diplomatischer Schachzug – es ist eine starke politische Botschaft. Das Land scheint entschlossen zu sein, seinen eigenen Weg zu gehen, selbst wenn dies auf Kosten von menschlichen Gesten und Solidaritätsbekundungen geht.

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