Ungarn ist nun offiziell das ärmste Land in der EU

Neue Zahlen von Eurostat zeigen, dass Ungarn offiziell das ärmste Mitglied der Europäischen Union geworden ist, gemessen an einem der wichtigsten Wohlfahrtsindikatoren – dem tatsächlichen individuellen Verbrauch (AIC) pro Kopf. Im Jahr 2024 wird das durchschnittliche Konsumniveau der ungarischen Haushalte nur 72% des EU-Durchschnitts betragen. Damit liegt das Land auf dem letzten Platz – sogar hinter Bulgarien und Estland.

Höheres BIP, aber niedrigerer Konsum

Gemessen am Pro-Kopf-BIP liegt Ungarn im Mittelfeld (77% des EU-Durchschnitts), doch die von den Haushalten tatsächlich konsumierten Waren und Dienstleistungen – einschließlich öffentlicher Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung – sind deutlich geringer. Dies deutet darauf hin, dass sich die Wirtschaftsleistung des Landes nicht in einem höheren Lebensstandard für seine Bürger niederschlägt.

In der Zwischenzeit erreicht Polen – ein Land, das Premierminister Viktor Orbán oft als Vorbild genannt hat – einen AIC von 85% und übertrifft Ungarn damit um 13 Prozentpunkte, obwohl es ein ähnliches Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung aufweist, so Kyiv Insider.

Was ist der Grund für den Rückgang?

Orbán Viktor behind closed doors about losing election, miracle weapon brussels
Quelle: Facebook/Viktor Orbán

Die Kluft vergrößert sich weiter und wirtschaftliche Faktoren allein erklären nicht die ganze Geschichte. Analysten verweisen auf den zunehmend autoritären Kurs der Orbán-Regierung, die Weiterleitung von Staatsvermögen und EU-Geldern an loyale Kreise sowie auf niedrige Löhne, hohe Inflation und Auswanderung als Hauptursachen für den Rückgang des Wohlstands der Haushalte. Die Mittelschicht erodiert und die sozialen Gruppen, die für die Aufrechterhaltung des realen Wohlstands unerlässlich sind, verschwinden langsam.

Zeichnet sich ein politisches Erdbeben am Horizont ab?

Die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage scheint bereits politische Konsequenzen zu haben. Laut einer von HVG am 18. Juni veröffentlichten Medián-Umfrage liegt die von Péter Magyar geführte Oppositionspartei, die Tisza-Partei, bei den wahrscheinlichen Wählern um 15 Prozentpunkte vor der Fidesz (51% zu 36%). Bei den Wählern unter 40 Jahren ist der Vorsprung sogar noch größer: 58% unterstützen die Tisza-Partei. Noch vor drei Monaten betrug der Abstand nur neun Punkte.

Péter Magyar Tisza Weber
Foto: Facebook/Péter Magyar

Diese Verschiebung könnte nicht nur innenpolitische, sondern auch geopolitische Auswirkungen haben. Ungarn ist nach wie vor das russlandfreundlichste Mitgliedsland der EU und der NATO, das regelmäßig die Unterstützung für die Ukraine blockiert und sich den Argumenten des Kremls anschließt. Da die Unterstützung für Fidesz bröckelt, könnte auch einer der wichtigsten europäischen Verbündeten von Wladimir Putin seinen Halt verlieren.

Eine Chance für Veränderung

Die Botschaft ist klar: Das Orbán-System, das sich auf starke makroökonomische Indikatoren stützt, aber durch eine zentralisierte Macht und eine klientelistische Wirtschaft gekennzeichnet ist, zeigt Anzeichen von Schwäche. Die einfachen Ungarn bekommen die Auswirkungen zu spüren: Die Löhne stagnieren real, die Lebensqualität sinkt und immer mehr Bürger suchen nach besseren Möglichkeiten im Ausland.

Ohne durchgreifende Reformen – einschließlich einer transparenten Vergabe von EU-Mitteln, der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, der Anhebung der Löhne und der Bekämpfung der Korruption – wird Ungarn seine Abwärtsspirale fortsetzen. Die jüngsten Medián-Daten signalisieren jedoch auch, dass die Öffentlichkeit Veränderungen wünscht und ein politischer Wandel, der das Wohlergehen der Familie in den Vordergrund stellt, unmittelbar bevorstehen könnte.

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