Hungary’s “biggest-ever” SME program? 95% der Unternehmen bleiben außen vor

Ungarns viel gepriesenes Sándor Demján-Kapitalprogramm wird als “größtes KMU-Programm aller Zeiten” gepriesen. Doch hinter den Schlagzeilen verbirgt sich bei näherer Betrachtung eine unbequeme Wahrheit: Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Ungarn werden ausgeschlossen, bevor sie überhaupt einen Antrag gestellt haben. Die Initiative sieht weniger wie eine systemische Reform aus, sondern eher wie ein weiterer Fall von politischer Stimmungsmache – konzipiert für wenige, vermarktet für viele.
Ein langjähriges Problem
Seit mehr als drei Jahrzehnten haben ungarische KMU mit dem zu kämpfen, was Experten oft als chronische Kapitalarmut bezeichnen. Unterkapitalisiert, überverschuldet und in einem Kreislauf der Stagnation gefangen, ist ein nachhaltiges Wachstum für viele Unternehmen nahezu unmöglich. In diesem Zusammenhang ist ein groß angelegtes Eigenkapitalprogramm nicht nur willkommen, sondern längst überfällig.
Laut marketingcountry.hu ist die eigentliche Frage jedoch, ob das Demján-Programm sinnvolle Lösungen bietet oder ob es lediglich die Illusion einer Reform erzeugt.
Das Programm im Detail
Als Teil des umfassenderen Sándor-Demján-Programms bietet diese Vorzeigeinitiative eigenkapitalähnliches Kapital in Höhe von 100-200 Millionen Forint pro Unternehmen zu einem stark subventionierten Jahreszins von nur 5%. Unternehmen können sich ohne Sicherheiten und mit 0% Eigenkapitalbeteiligung bewerben, was das Programm weitaus attraktiver macht als die Finanzierung über den Markt.
Die Mittel können für eine Vielzahl von Zwecken verwendet werden: Expansion, Übernahmen, Digitalisierung, erneuerbare Energien, Marketing, Neueinstellungen und sogar Management-Buyouts. Von der Konzeption her erscheint es äußerst flexibel.
Die Verwaltung teilen sich die Ungarische Industrie- und Handelskammer (MKIK), die National Capital Holding (NTH) und die Ungarische Entwicklungsbank (MFB). Die Regierung bezeichnet das mit 100 Milliarden HUF ausgestattete Programm als “historisch”.
Der Haken: Förderungswürdigkeit
Offiziell gehören zur Zielgruppe ungarische Kleinst-, Klein- und mittelständische Unternehmen. Aber das Kleingedruckte erzählt eine andere Geschichte. Um sich zu qualifizieren, müssen die Unternehmen:
- Mindestens zwei abgeschlossene Geschäftsjahre
- Mindestens zwei Angestellte
- Mindestens 50% ungarisches Eigentum
- Durchschnittlicher Jahresumsatz von mindestens HUF 300 Millionen (€750.000)
Das ist der Punkt, an dem die Realität zuschlägt. Nach Angaben des Ungarischen Zentralen Statistikamtes (KSH) gibt es in Ungarn rund 902.000 registrierte Unternehmen, von denen 99 % KMU sind. Dennoch:
- 73% sind Einzelunternehmer oder beschäftigen weniger als zwei Personen → automatisch ausgeschlossen.
- Die überwiegende Mehrheit der Kleinstunternehmen (2-9 Beschäftigte) erwirtschaftet weit unter dem Schwellenwert von 750.000 €.
Nach vorsichtigen Schätzungen sind über 95% der KMU ausgeschlossen. In der Tat können 99% der Kleinstunternehmen nicht einmal einen Antrag stellen.
Die Zahlen lügen nicht
Bis Juli 2025 hatten gerade einmal 55 Unternehmen Unterstützung erhalten, mit einer Gesamtzuweisung von 10,8 Milliarden HUF. Das Programm zielt darauf ab, 500-600 Unternehmen zu erreichen. Gemessen an der Gesamtzahl der KMU entspricht dies einer Teilnahmequote von nur 0,06-0,07%.
Selbst wenn man sich nur auf kleine und mittlere Unternehmen (ohne Kleinstunternehmen) konzentriert, beträgt die Reichweite nicht mehr als 1,2-1,4%. Einfach ausgedrückt: die obersten 5% der KMU profitieren, während der Rest auf der Strecke bleibt.
Über den Tellerrand hinaus
Ungarns Kleinstunternehmen – etwa 850.000 Firmen mit 1,3 Millionen Beschäftigten – bleiben außerhalb des Rahmens. Sie sind die Grundlage der Wirtschaft, werden aber weiterhin als Randfiguren behandelt. Diese Vernachlässigung ist nicht nur wirtschaftlich schlecht, sondern auch Ausdruck einer schlechten Regierungsführung.
Ungarn ist stets hinter seinen mittel- und osteuropäischen Konkurrenten zurückgeblieben. Ein Hauptgrund dafür ist das Versäumnis, Kleinstunternehmen zu fördern, die an der Basis innovativ sind und die lokale Beschäftigung und das regionale Wachstum vorantreiben. Länder, die ihre KMU fördern, übertreffen Ungarn bei Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Innovation.
Ein struktureller Würgegriff
Das Problem besteht nicht nur bei diesem Programm. Die ungarische Politik benachteiligt systematisch kleinere Unternehmen. Ein deutliches Beispiel ist die EU-Mehrwertsteuerreform 2025, die es KMU in der gesamten Union ermöglicht, unter vereinfachten Regeln grenzüberschreitend zu expandieren. Während viele MOE-Länder großzügige inländische Schwellenwerte festlegen, hat Ungarn einen der niedrigsten in Europa: nur 45.000 €, verglichen mit dem EU-Maßstab von 85.000 €. Das Ergebnis? Rund 80 % der ungarischen Kleinstunternehmen sind von der Förderung ausgeschlossen.
Dies ist kein Zufall. Es spiegelt ein Muster struktureller Hindernisse wider, die kleine Unternehmen für ihr Wachstum bestrafen und sie von den vereinfachten Regelungen ausschließen, die ihren europäischen Kollegen zur Verfügung stehen.
Fazit: Reform oder Rückschritt?
Das Sándor-Demján-Kapitalprogramm mag für eine Handvoll Firmen wertvolles Kapital bereitstellen. Aber für die überwältigende Mehrheit der ungarischen KMU ist es eine weitere Erinnerung an die Ausgrenzung. Eine echte Reform würde die strukturellen Schwächen direkt angehen: höhere Schwellenwerte, einfachere Steuerregelungen und zugängliches Kapital für die Kleinstunternehmen, die das wahre Rückgrat der Wirtschaft bilden.
Stattdessen bleibt Ungarn ein Vorzeigeprogramm, das eine kleine Elite stärkt, während es als Lösung für alle vermarktet wird. In Wirklichkeit ist es kaum mehr als ein Rückschritt, der als Reform getarnt ist.
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